Eine Bandcamp-Zwischenbilanz: Unabhängige Abhängigkeiten

Screenhot Bandcamp Promo-Video

Der Musikdienst Bandcamp bietet zuverlässigen Service für den digitalen Vertrieb von Musik und hilft Künstlern und Labels dabei, im Netz Geld zu verdienen. Nicht-kommerzielle Projekte sind jedoch unerwünscht. Trotz der kumpelhaften Worte des Unternehmens wird nach zwei Jahren Existenz klar: Bei Geld hört die Freundschaft auf.

Als ich vor knapp zwei Jahren das erste Mal von Bandcamp hörte, war ich begeistert und misstrauisch zugleich. Ein kostenloser, werbefreier Service, der in meinen Augen die bisher charmanteste Lösung für die Selbstvermarktung von Musikern im Netz bietet: Eine simpel zu bedienende Oberfläche, hervorragende Nutzungs-Statistiken, die Unterstützung diverser Audioformate, die Implementierung von Creative Commons Lizenzen und vorallem: Ein Weg Geld zu verdienen, durch Musikdownloads, Downloadcodes (zur Beilage von CDs, Vinyl oder anderem Merchandizing) und dem Verkauf von physischen Tonträgern. Dass dieser hervorragende Service irgendwann ein Business-Modell entwickeln würde, war natürlich vorherzusehen. Dass es fast zwei Jahre dauerte bis Bandcamp Geld von seinen Nutzern verlangte, überraschte mich.


Quelle: Bandcamp Promo-Video ().

Nach Außen das kumpelhafte Nerd-Unternehmen
Die Geschäftsidee wurde den Bandcamp-Nutzern im Juli mitgeteilt: Zwischen 10 und 15 Prozent beträgt seitdem die Provision, die sich der Dienst pro Verkauf eines Downloads einverleibt. Wie immer bei Bandcamp, wurde diese Neuerung sehr kumpelhaft via Blogbeitrag verkündet. Die Botschaft, dass Bandcamp anders sei als alle Musikdienste zuvor und dass sich die Firma selbst als ein Haufen von Musik- und Techniknerds versteht, das schwingt nicht nur in jedem Blogeintrag oder in den des Gründers Ethan Diamond mit, sondern auch in der offiziellen Selbstbeschreibung des Unternehmens. Gerade weil Bandcamp den Dialog mit Nutzern sehr ernst nimmt und durch die Nähe zum User auch eine gewisse Transparenz vermittelt wird, finde ich es umso merkwürdiger, dass Bandcamp nur selten mit Zahlen in die Öffentlichkeit rückt.

Downloads im Wert 4,5 Millionen Dollar pro Jahr?
Im ersten Halbjahr 2010 wurden angeblich Downloads im Wert von 1 Million USD generiert (laut aktuellem Promotext auf der Startseite sollen es in den vergangenen 30 Tagen 362592 USD gewesen sein). Als ich per Email um mehr Einzelheiten und Statistiken (u.a. zur Anzahl der Nutzer) bat, wurde ich jedoch kurz und knapp abgespeist: “[...] We don’t talk about the number of bands publicly yet [...]“. Schaut man sich die Liste aller auf Bandcamp vertretenen Künstler an (etwa 500 pro Seite), dürften zur Zeit etwa 55000 Künstler/Musiker/Labels den Dienst nutzen. Bei den aktuell genannten monatlichen Umsätzen dürfte Bandcamp pro Jahr etwa 4,5 Millionen USD an Musikverkäufen generieren. Bei einer maximalen Provision von 15 Prozent wären das weniger als eine dreiviertel Million USD Umsatz für Bandcamp. Ob das nach Steuern und Kosten für Technik und Mitarbeiter ausreichend ist, kann man nur schwer bewerten. Außerdem wird bei dieser Rechnung kein möglicher Zuwachs an Nutzern miteinbezogen.

Für jeden 20sten Download wird bezahlt
Dass überhaupt für Musikdownloads bezahlt wird, ist natürlich erfreulich. Interessant sind vorallem die (wenigen) Angaben zur “name-your-price-Methode”. Laut Bandcamp zahlen Fans etwa 50% mehr als den von Musikern geforderten Mindestpreis für Musikdownloads. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Bereitschaft, mehr als das genannte Minimum zu zahlen, stark von der Höhe des Mindestpreises abhängt. Liegt der Mindestpreis für ein Download bei einem Dollar (oder sogar bei 0, denn auch das ist bei Bandcamp möglich), kommen die 50 Prozent natürlich entsprechend schnell zustande. Leider hält Bandcamp bisher genaue Zahlen zurück. Falls der folgende Satz “We’ve driven 343,271 paid transactions and served 6,577,192 downloads to happy fans.” entsprechend zu interpretieren ist, liegt das Verhältnis zwischen Bezahl- und Kostenlosdownloads bei rund 5 Prozent. Das würde bedeuten, dass ein Fan im Schnitt von 100 Musikdownloads 5 bezahlt. Für jeden 20sten Download wird demnach (freiwillig) gezahlt.

Eine Falle für Netlabels
Mit etwas Skepsis und Sorge blicke ich auf die vielen Netlabels, die zunehmend (und teilweise sogar ausschließlich) Bandcamp nutzen. Vorallem die aktuelle Neuerung des Musikdienstes dürfte viele Netaudio-Künstler und Netlabelbetreiber ärgern, komplett auf Bandcamp umgestiegen zu sein. Denn hinter der wie immer nett verpackten Überschrift “Free Downloads & Power-Ups” verbirgt sich ein Teufelskreis für diejenigen, die ihre Musik nichtkommerziell vertreiben wollen: “[...] we’ve learned [...] that most of the music being given away through the site is from a relative minority of bands who have decided not to sell anything at all. It’s obviously unfair to burden every Bandcamp artist with the costs of a few outliers giving away hundreds of thousands of free downloads, so we’re making some changes to button that up.” Diese Änderungen sehen wiefolgt aus: Für neue Bandcamp-Nutzer sind die freien Downloads ab sofort auf 200 beschränkt, bisherige Nutzer können Fans maximal 500 kostenlose Downloads anbieten. Ist das Kontingent abgelaufen, sollen Künstler/Netlabels Gratis-Downloads nachkaufen. 300 weitere kostenlose Downloads kosten 9 USD (3 Cent pro Download), 1000 Downloads 20 USD (2 Cent / Download) und 5000 kosten ab sofort 75 USD, was 1.5 Cent pro Download entspricht. Ein No-Budget Netlabel via Bandcamp zu betreiben wird also unmöglich, bzw. stark eingeschränkt.

Die Motivation ist dementsprechend klar: Bandcamp will Künstler und Labels dazu erziehen, Geld zu verdienen. Denn wenn ein Künstler oder (Net)label Geld verdient, dann verdient auch Bandcamp daran. Dadurch entstehen jedoch neue Abhängigkeiten, die vor allem die Netaudioszene schon immer umgehen wollte. Man kann nun enttäuscht sein von Bandcamp oder sich für eine gewisse Naivität schämen, wenn man tatsächlich glaubte, Bandcamp sei “anders”. Der kumpelhafte Ausdruck ist halt doch nur eine Masche.


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Comments ( 5 )

fieser bockmist das. für uns mehr als ärgerlich, lässt es uns als naive trottel zurück. dabei zeigt es nur in kleinem rahmen was unseren gespeicherten leben bei größeren konzernen droht, wenn denen mal ihr gewinn nicht mehr reicht.

SimSullen added these pithy words on Sep 12 10 at 13:42

hier hast du ein taschentuch, armes bübele…
10/15% sind immer noch wenig im vergleich zu anderen kommerziellen online distributoren. und irgendwie müssen auch server und personal bezahlt werden. schau dir doch mal zum vergleich jamendo an: ist zwar gratis aber chronisch kurz vorm bankrott, schlechter service, verbugt, schlechte qualität (nur mp3 und in recht niedriger bitrate – server und technick für alles andere kann man sich eben nicht leisten), und nur für leute, die nicht in irgendeiner künster-verwertungsgesellschaft mitglied sind.
und 200 gratis albendownloads pro monat freihaus, sollten für die meisten indie musiker durschaus reichen. netlabels bleiben halt bei filehostern a’la rapidschare oder archive.org, wenn sie sich keine eigenen server leisten und nur traffic schmarotzen wollen.

blah added these pithy words on Oct 29 10 at 01:10

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bridesmaiddresses added these pithy words on Mar 29 11 at 08:04

Ha? Das versteh ich nun nicht. Also…

Ich biete ein kostenplfichtiges digitales Album (also zum digitalen Download) für z.B. 3,99€ an. Ein paar Fans kaufen das. Gut, 15% geht an Bandcamp, da habe ich überhaupt kein Problem mit.

Und wenn ich meine Musik meinen Fans nun kostenlos via free download anbieten möchte, muss ich nach 500 Songs freie Downloads für sie nachkaufen.

Aber wenn ich mein Album z.B. für nur 0,99€ anbiete, können sich das die Nutzer (nach der Zahlung) doch so oft runterladen, wie sie wollen, oder nicht? Oder muss ich auch dann, wenn ich meine Songs kostenpflichtig anbiete, nach 500 Downloads zahlen?

Eigentlich wollte ich BandCamp ganz privat (bin nichtmal bei einem Netlabel) auf eigene Faust nutzen. Soll ich das doch lieber lassen?

Unbenannt added these pithy words on Apr 14 11 at 18:19

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